Die Foto AG

Photo by Shannia Christanty on Unsplash

Heute möchte ich eine besondere Zeitreise unternehmen, die eine besondere Bedeutung für mich hat. Sehr subjektiv und mit persönlichen Scheuklappen - oder wie wir in den USA sagen “biased” - erinnern wir uns an ein Juwel unserer Schulgeschichte: die Foto-AG unter der Leitung von Herrn Bruns in den 70er Jahren.

Der Lehrer Rolf Bruns

Herr Bruns unterrichtete Mathematik, Physik und Erdkunde. Seinen Unterricht empfand ich immer als erfrischend. Und was ihn zusätzlich einmalig machte und ihm seinen Spitznamen “ich gehe meilenweit für eine Camel” einbrachte, war sein Zigarettenkonsum. Camel ohne Filter. Naja, heute vielleicht nicht so begeistert zu sehen, aber damals in den 70ern waren halt andere Zeiten. Also, warum gleich in die Luft gehen, greife zur HB. Oder doch Ernte 23? Egal, kurzum, er war Kettenraucher. Aber eben auch ein Lehrer mit Empathie, der zuhörte und sich das Vertrauen der Schüler in einer Zeit des Umbruchs erarbeitete. Deshalb wurde er auch Vertrauenslehrer.

Und dann initiierte er die Foto AG. Eine, wie ich finde, spannende Reise zurück in die dunkle Kammer, wo jedes Bild noch ein kleines Wunder war.

Die analoge Welt

In einer Zeit, in der digitale Technologien noch in den Kinderschuhen steckten - wenn man Kassettenrekorder digital nennen darf - bot unsere Schule durch Herrn Bruns eine einzigartige Möglichkeit für junge Fotografiebegeisterte. Ausgestattet mit einem eigenen Schwarzweiß-Fotolabor, zwei Belichtungsarbeitsplätzen und einer Dunkelkammer, hatten die Schüler die Chance, die Magie der analogen Fotografie hautnah zu erleben. Das Herzstück unserer Ausstattung war zweifelsohne die hochwertige Hasselblad Mittelformatkamera, ein Präzisionsinstrument, das auch heute noch in der Fotografiewelt hochgeschätzt wird.

Eine zweite Kamera war eine 35mm-Filmkamera von Leica.

Der Einstieg in die Welt der Fotografie begann für uns mit der Herstellung von Fotogrammen. Diese erste Berührung mit Fotopapier und Entwicklerflüssigkeiten diente nicht nur dazu, grundlegende technische Fähigkeiten zu erlernen, sondern auch das kreative Auge für Motivgestaltung zu schärfen. Von diesen ersten Schritten aus entwickelten wir unsere Fertigkeiten unter Anleitung von Herrn Bruns weiter und wagten uns bald an die spannende Aufgabe des Fotografierens selbst.

Jede Woche traf sich die Foto-AG, um gemeinsam zu lernen, zu experimentieren und natürlich um die eigenen Werke kritisch zu betrachten und zu diskutieren.

Woraus bestand das Fotolabor?

Ein Fotolabor für den Heimgebrauch in den 70er Jahren war durchaus erschwinglich. Hier schön zu sehen das Objektiv des Vergrößerers, vor dem noch Filter gelegt werden konnten, um Effekte zu erzielen.

Zur Erläuterung einige der wesentlichen Komponenten und Materialien, die man für ein solches Heimfotolabor benötigte:

  1. Dunkelkammer: Die Dunkelkammer war der zentrale Ort des Fotolabors, normalerweise ein fensterloser Raum, der lichtdicht sein musste, um das Fotopapier und die Filme vor ungewollter Belichtung zu schützen.
  2. Vergrößerer: Ein essenzielles Werkzeug in jedem Fotolabor war der Vergrößerer, mit dem das Negativ auf Fotopapier projiziert wurde. Er bestand aus einer Lichtquelle, einem Negativhalter und einem Objektiv, um das Bild auf eine bestimmte Größe zu vergrößern.
  3. Entwicklungschemikalien: Für die Entwicklung von Filmen und das Ausarbeiten von Fotopapieren benötigte man verschiedene Chemikalien, darunter Entwickler, Stoppbad, Fixierbad und Netzmittel.
  4. Tanks und Schalen: Entwicklungsdosen und Entwicklungsschalen wurden für die Filmentwicklung und das Entwickeln von Fotopapieren verwendet.
  5. Zubehör: Dazu gehörten rotes Licht, Filmklammern, Thermometer und eine Zeitschaltuhr.

In den 70er Jahren waren diese Materialien und Werkzeuge weit verbreitet und ermöglichten es Amateuren wie auch professionellen Fotografen, hochwertige Fotografien in Eigenregie zu produzieren. Das Verständnis und die Beherrschung dieser Prozesse erforderten Geduld und Präzision.

Erste Arbeiten

Bruns unterrichtete uns zunächst in der Theorie im Physikraum. Wie enttäuschend, wir wollten loslegen. Aber nur Geduld. Und irgendwann ging es los und wir setzten unseren ersten Entwickler an. Berechneten Belichtungszeiten für Fotogramme und welche Effekte längere und kürzere Zeiten und unterschiedliches Fotopapier haben.

Ein Fotogramm ist ein fotografisches Bild, das ohne Kamera erstellt wird, indem Objekte direkt auf die Oberfläche des Fotopapiers gelegt und dann dem Licht ausgesetzt werden. Man erhält ein negatives Schattenbild, das Tonschwankungen aufweist, die von der Transparenz der verwendeten Objekte abhängen. Bereiche des Papiers, die kein Licht erhalten haben, erscheinen weiß; diejenigen, die für eine kürzere Zeit oder durch transparente Objekte belichtet wurden, erscheinen grau, während vollständig belichtete Bereiche schwarz sind.

Fotogramme waren in der Zeit nicht neu. László Moholy-Nagy (USAn, geboren in Ungarn, 1895–1946) war ein bekannter Künstler, der Fotogramme nutzte.

Die Technik wird auch als kameralose Fotografie bezeichnet. Andere Künstler, die mit dieser Technik experimentiert haben, sind Christian Schad (der sie „Schadographen” nannte), Imogen Cunningham und Pablo Picasso.

Das war alles sehr nah am Kunstunterricht, und so stellten wir unsere ersten Arbeiten in den Gängen der Schule aus. Bruns gab uns damit nicht nur die Möglichkeit, unsere Werke einem breiteren Publikum zu präsentieren, sondern auch das Selbstvertrauen und die Anerkennung zu erleben.

An die Linse, fertig los

Wir zogen los mit den Schulkameras oder mit der eigenen. Ich selbst hatte zur Kommunion eine Kodak Instamatic bekommen, die ich ausgiebig nutzte. Die war allerdings ungeeignet in der Foto AG. Und so reaktivierte ich die Kamera meines Vaters, eine alte Zeiss-Ikon mit 6x9 Rollfilm.

Nach der ersten Exkursion ging es daran, zum ersten Mal Filme zu entwickeln.

Mit sehr viel Geduld zeigte uns Mr. Camel, wie ein Film in die Entwicklertrommel zu bekommen ist. Nicht einfach! Und dann ging es in die Dunkelkammer, und das Ganze wurde am lebenden Objekt in der Finsternis wiederholt.

Das Ergebnis war der erste selbst entwickelte Film und das Sahnehäubchen: die dann hergestellten Papierabzüge.

Nicht viele meiner Fotos bzw. Negative habe ich noch. Die Aufnahme des Sadecki-Denkmals an der Lippe habe ich noch in der Chronik des ASV Dorsten verwendet. Und dann hier noch eine Aufnahme meines treuen Dackels, Scotty (genau, beam me up).

Bei mir wurde es dann während der Foto-AG noch ein eigenes Fotolabor, das ich mir zusammengespart hatte. Das Objektiv war von Rodenstock, und ich habe “Tonnen an Material” entwickelt, auch uralt Fotos der Familie und Bruns konnte man immer um Rat fragen.

Ich hatte noch etliche Jahre Kontakt mit Rolf Bruns, und wir haben uns ausgetauscht. Mein letzter Besuch und Kontakt war, um ein geliehenes Buch “Fotos: Selbst entwickeln - Selbst vergrößern: Kreatives Gestalten und praktische Technik - Color und Schwarzweiß” abzuholen. Das war so 1978.

Für mich sind die Erfahrungen und Erinnerungen, die wir in der Foto-AG sammeln durften, unvergesslich. Fotografie und später Film haben mich mein Leben lang begleitet. Rolf Bruns lehrte uns nicht nur über Blenden, Belichtungszeiten und Komposition, sondern auch über Geduld, Präzision und künstlerischen Ausdruck.

Vielen Dank, “Camel ohne Filter”.

P.S.

Dank Johannes Götte gibt es dieses Foto - aufgenommen während der Verabschiedung 2016 - auf dem rechts der Zugang “Fotolabor” zu sehen ist (links geht es zur Lehrüche, die gab es damals noch nicht)

P.P.S Du hast eine Geschichte? Fotos? Dann schreib was unter “Kontakt”

Written by

Egbert Schroeer

I'm a retired Microsoft Executive, Amateur Genealogist, Amateur Chess Player, Mentor, Book Author, and proud alum of GHS graduating class of 1975. I am deeply invested in preserving the rich legacy of our beloved school.