Wilhelm Zimolong - Künstler und Lehrer

Wer war er

Wilhelm Bernhard Zimolong (* 12. Mai 1922 in Elberfeld; † 11. März 1979 in Essen) war ein deutscher Maler, Grafiker und Bildhauer, der an der Gerhart-Hauptmann Realschule von 1966 bis 1979 Kunst unterrichtete.

Erinnerungen von Egbert Schröer

erstellt im Jahr 2024 = 56 Jahre später … alles ist endlich - wenn ein Mensch stirbt, verschwindet eine Bibliothek

Begegnung

1968 trat ich zum ersten Mal meinen Weg mit dem Fahrrad zur städtischen Realschule für Jungen - später Gerhart-Hauptmann-Realschule Dorsten - an. Kein leichtes Unterfangen, der Schulweg war fast 4km lang, Busse fuhren zwar, aber das kostete Geld. Also, mein Fahrrad war angesagt. Die neue Schule galt als beste Schule und mein Vater - Heinrich Bernhard Schröer - machte es mir möglich diese Schule zu besuchen. Meine erste Fahrt und auch die folgenden musste ich nicht allein antreten. Ich stoppte bei Horst Knieps, dem Bruder meines späteren Schwagers, mein Gitarrenlehrer und nun mein Lotse in den ersten Tagen. Horst war älter und gehörte zu den ersten Jahrgängen von 1965 oder 66. Der Weg von der Wasserstrasse über die Burgsdorfstrasse (dort wohnte Horst) ging entlang der Halterner Strasse, vorbei an der Zeche Fuerst Leopold und dann durch die - etwas gruselige - Unterführung der Zechenbahn. Manchmal querte auch noch die Lorenschmalspurbahn den Weg und wir mussten warten. Aber das ist eine andere Geschichte.

Alle Lehrer stellten sich vor. Darunter die Herren Hesse, Glackemeyer, Bruns… und, ja, und Herr Zimolong. Ein Mann der schon durch sein Auftreten die Aufmerksamkeit auf sich zog, wie er gekleidet war, sprach und… er trug eine Baskenmütze (Beret). Faszinierend! Kunstunterricht stand schon in der ersten Woche an! Ich war gespannt!

Der Künstler der kein Franzose war

Obwohl man Zimolong sich mit einem Baguette unter dem Arm vorstellen konnte… er war kein Franzose, nein sondern ein Kind des Ruhrgebiets und lebte in Gladbeck.

Was war Wilhelm Zimolong für ein Mensch?

Er war lebensfroh, witzig, ein guter Unterhalter. Aber auch ein Familienmensch. Sigrid Zimolong

Na gut, ein wenig Franzose war er doch schon, denn 1953 reiste er mit seiner Frau für drei Monate mit dem Fahrrad durch Frankreich, bepackt mit Leinwand, Pinseln und Farbe. Und mit einem Ziel vor Augen: Picasso treffen. Wie er uns erzählte, haben sie nur seine Lebensgefährtin angetroffen. Aber seine Liebe zu Frankreich, speziell Südfrankreich hat er behalten. Er erzählte diese Geschichte voller Stolz auf das Erreichte und die Eindrücke.

Sein Unterricht war inspirierend, er machte neugierig, man konnte experimentieren und erfand für sich eine neue Sicht der Dinge. Seine eigenen Werke waren beeindruckend.

Er lehrte uns zu sehen. Seine Themen waren politisch - wie die 68er nun einmal waren. Oder religiös wie z.B. seine Sixtina Variationen.

Sixtina - eine von vielen Variationen

… der Strich ist ein verlängerter Punkt..

Das fand ich damals ziemlich abgefahren! Eine völlig neue Sicht der Dinge.

So wurde auf Zeichenblock Grösse DIN A2 mit Bleistift das grobe Motiv gezeichnet und dann mit Linien frei Hand mit der Tuschfeder und unterschiedlichen Federstärken bis zu den Konturen gemalt, dann wurde versetzt mit der Linie fortgefahren. So entstanden Engel, Kirchen, Tiere und andere Motive. Der Zeichenblock A2 war damals ein Novum und musste im Schreibwarenhandel bestellt werden. Ein echter Kostenfaktor. Vor dem Hintergrund der damals 25 DM Schulbuchgutscheine, die mit dem Preis eines Dierke Weltatlas von 24 DM schon ausgeschöpft waren, eine Investition.

Ähnlichkeit hatten die eher abstrakten Projekte dann mit Simon Rohlen’s Werken. Hier ein Beispiel zur Illustration.

Der Strich

Gerade habe ich einmal im Netz geschaut und da wird tatsächlich diese Lithographie von ihm in den NL versteigert. Die hatte er uns im Kunstunterricht gezeigt und auch sein Werke “Sixtina” zu der er mehrere Variation gefertigt hatte.

Litographie

Einige in unserer Klasse wollten Werke von ihm kaufen. Das gab dann einen Aufstand von der Elternpflegschaft (oder wie immer sich das damals nannte) und er wurde in unserer Klasse durch den Kunstlehrer Karl Korte (Spitzname Flieger Karl Korte) ersetzt. Ist mir bis heute absolut unverständlich! Das hat ihn sehr verletzt, er war tief betroffen. Das muss in der 7. Klasse, also um 1971 gewesen sein. Es spiegelte den autoritären Führungstil wieder. Es herrschte zu der Zeit ein zunächst nie angezweifeltes Obrigkeitsverhältnis. Regel eins: der Lehrer hatte immer Recht, der Schüler immer Unrecht. Also half auch nicht, dass wir Schüler für Zimolong aussagten, protestierten und bestätigten das Herr Zimolong keinen aktiven Verkauf seiner Werke an die Schüler betrieben hatte. Regel eins trat in Kraft.

Zimolong war von 1966 bis 1979 an der Schule, also bis zu seinem Tod. Als ich nochmals Herrn Bruns besuchte, um ein Buch abzuholen, das ich ihm geliehen hatte, war Zimolong wohl schon krank. Muss 1977 oder 1978 gewesen sein, denn ich hatte schon meine eigene Wohnung in Klein-Reken (auch eine andere Geschichte). Ich habe ihn nicht mehr angetroffen.

Unter seiner Leitung gab es jährlich eine “Kunstausstellung” bei der er Werke der Schüler auswählte und die in den Gängen und Räumen ausgestellt wurden. Zu St. Martin organisierte er eine Ausstellung mit den gebastelten Laternen, die alle unterschiedliche Abstraktionen der biblischen Themen hatten. Fand ich immer grossartig. Die Kreissparkasse hat dazu einen ersten Preis gesponsort und der lokale Baunternehmer (Egbert Bolmerg hiess er glaube ich). Der erste Preis, den ich einmal mit meiner “Luftabllon Laterne” gewonnen hatte, war ein Sparbuch mit 25 DM bei der Kreissparkasse Dorsten. Ein Jahr wurden z.b. Luftballons verwendet die mit in Tapetenkleister getränkten Papierbahnen umschlossen wurden. Danach wurde der Ballon zerstochen und die dann enstandene Laterne mit farbigen Papier beklebt. Kubistische Motive waren da angesagt. Auch angelehnt an Zimolongs Litho’s der Sixtinischen Kapelle. Ein weiteres Thema war dann in einem anderen Jahr “der Punkt”. Schwarze Pappe war das Grundmaterial, die Fenster der Laternen wurden ausgeschnitten und mit durchsichtigem Papier (weiss) als Fenster beklebt. Dann wurden mit einem Locher aus eben gleicher schwarzer Bastelpappe gelocht und diese “Punkte” dann auf das mit Kleber bestrichene Papier aufgestreut oder in Mustern oder Darstellungen aufgetragen.

Im Gedächtnis ist mir selbst auch die Kunstausstellung mit Anti Kriegs Themen. Im Innenhof - dem Atrium - hatten wir dazu eine Puppe als gefallenen Soldaten drapiert. Leider sind die S/W Aufnahmen dieses Objektes verloren gegangen.

Mein Freund seit Schultagen - Kalle - brachte mir noch in Erinnerung wie stolz wir waren, als wir unsere Kunstobjekte in der Kreissparkasse Dorsten als riesige Wand vor uns fanden. Ganz Dorsten konnte die Objekte sehen. Wir hatten jeder eine Kiste mit Fenster gebaut und dahinter irgend etwas hineingestellt. Eine Kiste war dabei gewesen, in der irgend etwas Verderbliches war. Das war Absicht und es sollte langsam verrotten und dadurch dem Betrachter über die Zeit ein veränderliches Bild zeigen. Hat leider nicht ganz funktioniert bei diesem einen Objekt, und wir mussten daher die Ausstellungswand in der Kreissparkasse früher auflösen als gedacht.

Die Vielfalt und Kreativität dieser Ausstellungen waren beeindruckend und prägend bis zum heutigen Tag. Noch heute besitze ich die Kunstkataloge der Ruhrfestspiel Ausstellungen dieser Zeit oder Essen Volkwang Museum Ausstellungen, die er uns mehr als an’s Herz gelegt hat.

Auch wenn ich heute eine Kunstaustellung besuche - letztens “The Art of Banksy: “Without Limits” - ein Kunstkatalog muss sein.

Zimolongs Einfluss ging jedoch über den Kunstunterricht hinaus. Er unterstützte Demos und Sit-Ins, bei denen die Schüler ihre Stimme für verschiedene Anliegen erhoben. Sein Engagement und seine Offenheit für gesellschaftliche Themen machten ihn zu einem respektierten Lehrer und Mentor für viele Schüler, deren Erinnerungen an ihn bis heute lebendig sind. Heute wahrscheinlich nicht vorstellbar, aber das Tragen eines US Parka (oder Bundeswehr Parka) mit Che Guevara Konterfei auf dem Ruecken oder Peace Symbol wurde als Provokation verstanden.

Einige Projekte, die unter Zimolongs Anleitung entstanden:

  • Bilder mit Nägeln, die in Holzplatten geschlagen wurden, und Nägel, die dann mit Fäden bespannt wurden, um abstrakte Formen zu erzeugen.

Nagel-Faden
Nagel

  • Kubistische Laternen, inspiriert von Zimolongs Lithographien der Sixtinischen Kapelle.

  • Eine Ausstellung mit Anti-Kriegs-Themen, die durch Zimolongs Unterstützung möglich gemacht wurde.

Eine sehr bescheidene Auwahl der vielen vielen Themen unseres Kunstlehrers Wilhelm Zimolong.

Zimolong ermöglichte es den Schülern auch, Nachdrucke großer Künstler aus der Klett Schulgalerie zu erwerben, und seine Haltung war klar: “Besser eine gute Reproduktion als keine Kunst”. Diese Ausstellungen und Projekte prägten nicht nur den Kunstunterricht, sondern auch das gesamte Schulumfeld und förderten eine Atmosphäre der Kreativität und des Engagements.

Das Bild “Vega-Kontosh” aus dem Jahr 1971 von Victor Vasarely hängt noch heute bei mir daheim in meinem office. Natürlich nicht im Original, sondern aus der Klett Bibliothek. Das ist evtl. wieder eine andere Geschichte.

Litographie

Written by

Egbert Schroeer

I'm a retired Microsoft Executive, Amateur Genealogist, Amateur Chess Player, Mentor, Book Author, and proud alum of GHS graduating class of 1975. I am deeply invested in preserving the rich legacy of our beloved school.