Der 18. September 1970, ein Freitag. Es war ein angenehmer Tag mit unterschiedlichen Wetterbedingungen in verschiedenen Teilen Deutschlands, so um die 20°C. Es war ein anderer Tag als sonst, der Tag, an dem Jimi Hendrix starb.
Das war ein Jahr nach dem farbenfrohen, friedlichen und allerersten Open-Air-Festival der Welt, Woodstock.
Jimi Hendrix, der die Saiten seiner Gitarre mit seinen magischen Fingern streichelte und sie dann wieder mit Zähnen und Zunge traktierte, verstarb an diesem Tag. Seine einzigartige Art, die Verstärker bis zum Anschlag aufzureißen, mit dem WaWa Pedal im Rhytmus zu arbeiten und ekstatische Heul-, Dröhn- und Schnurrlaute zu erzeugen, hatte die Welt bis dahin nie gehört. Ein wahrer Pionier und eine unvergessliche Legende der Rockmusik.
Seine Fender Stratocaster erwachte mit seinem Spiel zu nie gekanntem Leben.
Jimi Hendrix hatte seinen letzten Festival-Auftritt auf dem Love-and-Peace-Festival, das vom 4. bis 6. September 1970 auf der Ostseeinsel Fehmarn beim Leuchtturm Flügge stattfand.
Wie ich später erfahnren habe, machten sich einige Schüler der GHS damals auf den Weg nach Fehmarn, nicht mit dem Auto, sondern per Anhalter.
Am zweiten Tag des Festivals, dem 5. September 1970, betrat Jimi Hendrix in Begleitung von Mitch Mitchell und Billy Cox die Bühne. Der erste Tag war von Regen und Sturm geprägt, aber am Sonntag strahlte die Sonne vom Himmel, als ob sie geahnt hätte, dass etwas Besonderes passieren würde.
Dieses Festival sollte eine deutsche Antwort auf das legendäre Woodstock-Festival sein und es sollte sein letztes Live-Konzert werden.
Es war eine Zeit des Umbruchs, auch in der Gerhart-Hauptmann-Realschule. Um die Situation und auch die Bewegungen an Universitäten zu verstehen, muss man wohl auf die 50er Jahre schauen. Die meisten dürften noch mit dem klassischen Handwerkszeug der Erziehung – nämlich Rute, Stock und Teppichklopfer – aufgezogen worden sein. Zur moralischen “Sauberkeit” gehörte auch, dass über Sexualität überhaupt nicht gesprochen wird. Sie findet offiziell einfach nicht statt.
Schlagen war an der Schule verboten, klar. Obwohl dies in der Volksschule 1964 immer noch vorkam, mit Lineal und Rohrstock.
An der Schule herrschte zwischen Lehrern und Schülern ein klares, nie in Frage gestelltes Obrigkeitsverhältnis. Regel eins: der Lehrer hatte immer Recht, der Schüler immer Unrecht. Der Zynismus und die Machtausübung durch Lehrer waren an der Gerhart-Hauptmann-Realschule ausgeprägt. Und mit einem Mal änderte sich das.
Eine neue Generation an Lehrern, jungen Lehrern kam in die Schule. Die Protestbewegungen schwappten auf alle höheren Schulen über. Die Zeiten, in denen man keine Luft bekam und ein großes Schweigen herrschte, Fragen und Probleme unter den Teppich gekehrt wurden, waren langsam vorbei.
Musik war ein Ausdruck dieser Proteste. Jimi Hendrix war einer von diesen Musikern.
Und so erinnere ich mich an den Tag, als Hendrix gestorben war. Ich hatte mitbekommen, dass ein gewisser Jimi Hendrix gestorben sei und die Großen an der Schule auch unter massiven Drohungen der Lehrerschaft nicht bereit waren, sich von ihrer improvisierten Trauerfeier zu erheben, um wieder in die Klassen zu gehen. Es war ein klassisches Sit-In, und wir ‘Kleineren’ gesellten uns dazu. ‘Kleiner’ war bis zur 7. Klasse, inklusive der Trennung der Toilettenräume für a) 5. - 7. Klasse und b) 8. - 10. Klasse.
Das Ganze fand auf dem Schulhof statt. Die Treppen und Aufgänge zu den Klassenräumen waren mit Schülern gefüllt.
Mehrfach wurden die Schüler von der ‘alten Garde’ der Lehrer aufgefordert, in die Klassen zu gehen, ohne Erfolg. Der ein oder andere Lehrer grinste und fand es absurd oder tat es als ‘pubertäre Unmutsbezeugungen’ ab und bahnte sich dann den Weg durch die Schüler in die Klasse. Schließlich tauchte noch Direktor Kuon auf. Es half nichts. Erst nach einem Dialog mit dem Vertrauenslehrer löste sich das Sit-In auf, und langsam kehrten wir in unsere Klassenräume zurück.
Zu diesem Zeitpunkt kannte ich Jimi Hendrix natürlich noch nicht. Ich war einfach nur sehr beeindruckt, dass die Großen nicht in die Klassen gingen und damit gegen Regel eins verstossen haben. Meine Liebe zu Jimi Hendrix und meine erste LP kamen später, sind aber eine andere Geschichte wert, die den Zeitgeist dieser Ära widerspiegeln kann.
Am Tag als Jimi Hendrix starb.
Jimi Hendrix Memorial Greenwood Memorial Park & Funeral Home Renton, Washington